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Mitarbeiter­bindung als Beziehungs­aufgabe

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden heiß umworben. Die Auswirkungen des vielfach diskutierten und (trotzdem ignorierten?) Fachkräftemangels kommen bei den Unternehmen an. Also richtet sich der Blick auch auf das bestehende Personal.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden heiß umworben. Die Auswirkungen des vielfach diskutierten und (trotzdem ignorierten?) Fachkräftemangels kommen bei den Unternehmen an. Also richtet sich der Blick auch auf das bestehende Personal. Hoffentlich bleibt es an Bord, wo doch das Anheuern auf einem attraktiveren Schiff eine Verlockung darstellt, die der Arbeitsmarkt noch zu Krisenzeiten vor zwei Jahren kaum geboten hat. *Shangheit* wird, wer ausreichend qualifiziert und flexibel ist.

Die Dynamik von Miteinander scheint sich zu verändern. „War for talents!“ wird wieder lauter gerufen, doch die Talents haben keine Lust auf Krieg. Viel lieber wollen sie flirten. Die Aufgabe von Unternehmen ist es nun, wirklich attraktiv zu werden und in Beziehung zu gehen. Für einen schnellen Flirt eignen wir uns nicht, muss die Botschaft sein. Aber für eine ernsthafte Beziehung mit beiderseitigem Nutzen und wechselseitigem Respekt. Zu dieser Haltung tragen sicherlich auch Arbeitgeberbewertungen wie etwa auf www.kununu.com bei, in denen die Qualitäten der Beziehungsgestaltung transparent beschrieben werden. Die Botschaft auf den Punkt: Raus aus dem Kampf um Talente, rein ich echte Beziehungsgestaltung!

Er gehört zu mir...

„Er gehört zu mir, wie mein Name an der Tür“, sang Marianne Rosenberg bereits 1975. Der Wunsch und die unausgesprochene Erwartung an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter lautet: Bitte bleib! Am besten ein Leben lang.
„Mitarbeiter kommen wegen der Unternehmenskultur und verlassen das Unternehmen wegen der Führung“ wird vielfach kolportiert. Entspricht das den Tatsachen? Die Gründe für Wechsel sind so vielschichtig wie die Dynamik von Entscheidungen für eine Partnerschaft. Dies nur eindimensional in Führungsverantwortung zu geben, greift zu kurz. Führung wird immer wieder als ein entscheidender Faktor für Bindung und Motivation von Mitarbeitern genannt. Die Verantwortung liegt aber in der ganzheitlichen Steuerung.

Führung im Dilemma

Das aktuelle Dilemma von Führung besteht darin, Mitarbeiter einerseits zu kritisieren, zur Zielerreichung zu bringen und zu steuern, zum anderen aber einen Wohlfühlraum zu schaffen, in dem sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entwickeln können. Führt die unterstützte Entwicklung zu einer Persönlichkeitsentwicklung, die neugierig macht auf neue Optionen, welche in dem Rahmen des aktuellen Unternehmens allerdings nicht befriedigt wer-den können, suchen sich Mitarbeiter neue Felder und wechseln die Organisation. Schon wird die Führungskraft an den Pranger gestellt: Hätten sie dieses Potential nicht halten können? Die Antwort lautet: Nein.

Bis dass der Tod Euch scheidet

Rund 40% aller Ehen in Deutschland werden geschieden. Die Gründe hierfür sind zahlreich: Mangelnde Bindung als Wert, attraktivere Partner und gestiegene Flexibilität. Trennung und sozusagen gelebte Ent-Bindung finden wir nicht nur im betrieblichen Kontext. Wir blicken auch auf ein gesellschaftspolitisches Phänomen. Jahrelang wurden Flexibilität und Einsetzbarkeit in unterschiedlichen Ländern und Einsatzgebieten heraufbeschworen. Noch vor drei Jahren konnten wir in vielen Bewerbungsratgebern lesen, länger als fünf Jahre sollten sie nicht in einem Unternehmen bleiben, das reduziert ihre Attraktivität am Arbeitsmarkt. Insbesondere die heiß umworbenen Talente haben dies ernst genommen und sind flexibel.

Fluktuation als Erfolgsmaß?

Geringe Fluktuation erscheint in der aktuellen Situation ein Erfolgsfaktor zu sein. Schon rühmen sich Organisationen: Bei uns bleibt die Mannschaft treu! Doch was ist mit frischem Blut, mit dem Problem der Betriebsblindheit und der mangelnden Bereitschaft zur Veränderung? Die einseitige Betonung von Bindung kann also kaum ein alleiniger Erfolgsfaktor sein.

Was gilt es nun zu tun?

Gegenseitig füreinander attraktiv bleiben lautet die Devise und das ist die Aufgabe von Arbeitsgeber und Arbeitsnehmer. Wie in einer guten Beziehung stellen sich die Partner immer wieder neu die Frage: Wie bleibe ich für den anderen anziehend? Wie würde ich mich tagtäglich verhalten, wenn ich noch nicht gebunden wäre? Die andere Seite der Medaille sollte ebenso diskutiert werden: Unter welchen Bedingungen ist Trennung vorstellbar? Welche neuen Räume ergeben sich, wenn wir ohne einander sind?

Zwei Kernfragen aus der Paartherapie

Erstens: „Ist bei beiden noch Liebe da?“ Übertragen wir dies auf den Unternehmenszusammenhang fragen wir uns, ob wir füreinander noch Achtsamkeit, Respekt und Zuneigung empfinden. Sprechen und denken wir in „wir“ oder in „das Unternehmen“ und „ich“? Die zweite Kernfrage: „Beschreiben Sie den Moment, an dem sie sich füreinander entschieden haben.“ Ist bei beiden ein Leuchten in den Augen und eine ähnliche Geschichte beschrieben, so ist die Basis für Bindung weiterhin vorhanden. Beschreibt der eine „So genau weiß ich auch nicht mehr, es ist halt passiert” ist die Abwanderungsbereitschaft ausgeprägter. Auch dies übertragen: Wie war der Start der Zusammenkunft? Welche Bilder wurden erzeugt? Welche Enttäuschungen (und einer Enttäuschung ist immer einer Täuschung vorausgegangen) gab es? Viele Mitarbeiter benennen im Ausstiegesgespräch kaum die wirklichen, emotionalen Gründe. Meist werden der Standort und die bessere finanzielle Perspektive vorgeschoben. Das sind nachvollziehbare Gründe, doch trennen wir uns ja auch nicht einfach, weil ein vermeintlich attraktiverer Partner in die Nähe gezogen ist. Es geht um Ernstnehmen und darum, rechtzeitig glaubhafte Weiterentwicklungspfade aufzeigen zu können. Wahrhaftigkeit bedeutet dann vor auch, deutlich die Grenzen zu beschreiben („In der Stelle als Abteilungsleiter sehe ich sie nicht.“) Die Sorge vieler Führungskräfte ist: Darüber motivieren wir nicht. Stimmt für den Moment. Mittelfristig binden sie aber dadurch!

Ehrlichkeit ist ein wesentlicher Bindungsfaktor.

Was die Mitarbeiter an Bord hält

Aus der Motivationspsychologie wissen wir, dass Geld ein Motivator ist, aufgrund seiner extrinsischen Natur längerfristig allerdings nicht zufrieden macht. Mitarbeiter, die nur aus der Befürchtung finanzieller Nachteile in einem Unternehmen bleiben, haben kein wirkliches Interesse an dessen Weiterentwicklung.
Es gilt also, die Mitarbeiter an ihrer intrinsischen Motivation zu packen, mit einer vertrauensvollen Atmosphäre im Unternehmen, guter Kollegialität, einem partnerschaftlichen Umgang, kurzen Kommunikationswegen und authentisch-kompetenten Führungskräften. Alles nichts Neues, aber oft genug nicht konsequent umgesetzt.
Oftmals werden die oben genannten Kriterien mit Familienunternehmen assoziiert. Wie eine Umfrage von Kienbaum zeigte, bevorzugen 62% aller Absolventen ein solches Unternehmen gegenüber einem Großkonzern.

Bindung und Anreize

Wie auch in einer Partnerschaft suchen die Mitarbeiter eine gewisse Sicherheit und wollen sich vom Arbeitgeber versorgt und verstanden fühlen, vor allem bei fachlicher Unsicherheit. Eine gute Arbeitsatmosphäre, Freiräume, Einbezug und die Wahrnehmung, dass der eigene Arbeitsplatz sicher ist, werden von Mitarbeitern als Motivationsfaktoren genannt.

Geben und nehmen

Eine stabile, eingespielte Mannschaft unter einem fähigen Kapitän zeichnet auch aus, dass sie neue Mitglieder in ihre Crew integrieren und den Verlust andere Mitarbeiter kompensieren kann.
Darüber hinaus müssen auch die Mitarbeiter die Bereitschaft haben, sich weiterzuentwickeln und Oberwasser zu behalten. Hier setzt auch die Personalentwicklung an, die die Mitarbeiter eines Unternehmens fordert und fördert.

Bleiben wir also in Verbindung, damit eine Entbindung weniger wahrscheinlich wird. Sich jeden Tag neu füreinander zu entschieden hält die Beziehung frisch.

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